ETOPS – Regularien der ICAO

ETOPS ist ein von der International Civil Aviation Organisation (ICAO) geschaffenes Akronym, hinter dem Regularien stecken, die es Betreibern von zweistrahligen, zivilen Flugzeugen erlauben, sich – über die normalerweise geltenden Richtlinien hinaus – auf einer Flugroute von A nach B weiter als 60 Flugminuten von dem nächsten adäquaten Ausweichflughafen zu entfernen.[1] Die ICAO hat dem Akronym ursprünglich den Namen Extended­range Twin­engine Operation(al) Performance Standards gegeben. Airbus Industries wiederum verwendet in ihrer Publikation ‚getting to grips with ETOPS’ ausgeschrieben die Bezeichnung Extended Twin Operations. Es gab seit der Einführung des Akronyms jedoch schon diverse Interpretationen.

Aviation Business ETOPS

Um dem Begriff auf die Schippe zu nehmen, wurde folgende Interpretation bekannt: Engines Turn(ing) Or Passengers Swim(ing). Im Jahr 2012 hat die ICAO auch Flugzeuge mit mehr als zwei Triebwerken in das Regelwerk mit aufgenommen und deshalb das Akronym EDTO eingeführt. Dieses bedeutet Extendet Diversion Time Operations und soll sich in Zukunft durchsetzen.[2]

Nutzen von ETOPS für die zivile Luftfahrt

Die Einführung von ETOPS hat die zivile Luftfahrt weit nach vorne gebracht. Es war nun zum Beispiel möglich, mit zweistrahligen Flugzeugen auf direkteren Routen über den Atlantik von Europa in die USA oder über weite unbesiedelte Teile der Erde, wie zu Beispiel Wüsten, zu fliegen. Damit sanken der Treibstoffverbrauch und die Flugzeit erheblich. Das kommt noch heute sowohl der Umwelt als auch den Passagieren zu Gute. Nicht zuletzt kann eine Airline dadurch erheblich an Kosten sparen. Und somit kann sie auch die Wirtschaftlichkeit ihrer Operation erhöhen. Auf der folgenden Abbildung ist gut erkennbar, wie weite Teile der Welt nun mit zweistrahligen Flugzeugen auf direktem Weg erschließbar wurden.

ETOPS

Abbildung 1: Weltkarte mit ETOPS-Kreise (Quelle: getting to grips with ETOPS, Airbus, S. 16)

Der Radius der Kreise um die Flughäfen stellt jeweils die Entfernung dar, die ein Flugzeug einmotorig in der jeweiligen Zeit mit einer True Airspeed (TAS) von 400 Knoten zurücklegen kann. Mittlerweile gibt es Flugzeug-Motoren-Kombinationen, die für ETOPS weit über 180 Minuten zugelassen sind. Und im Oktober 2014 wurde der Airbus A350 von der European Aviation Safety Agency (EASA) für 370 Minuten ETOPS zertifiziert.[3]

Flugvorbereitung nach EU Ops

Die in diesem Abschnitt beschriebenen Richtlinien finden sich in dem Dokument EU Ops wieder, welches von der EASA herausgegeben wird. Dieses Dokument nennt sich Air OPS Regulation (EU) No 965/2012.

Damit eine Airline Flüge nach ETOPS-Richtlinien durchführen darf, muss eine Zertifizierung durch die Luftfahrtbehörde des Landes stattfinden, in der die Airline beheimatet ist. Beispielsweise übernimmt in der Schweiz dies das Bundesamt für zivile Luftfahrt (BAZL) oder auf englisch Federal Office of Civil Aviation (FOCA). Das BAZL hat auf seiner Homepage diverse ‚Certification Leaflets’ publiziert. Diese dienen dazu, den Airlines eine Art Guide zum Implementieren der geforderten Richtlinien an die Hand zu geben.[4] Dort findet man auch das ‚CL ETOPS’. Darin steht, welchen Anforderungen unter anderem die Flugzeuge, das fliegende Personal, das Bodenpersonal, die Techniker und die Dokumentation gerecht werden müssen, um eine Zertifizierung zu bekommen.

Während der Zertifizierung muss eine Airline unter anderem einen sogenannten ‚speed schedule’ erstellen. Darin wird festgehalten, mit welcher Geschwindigkeit, auf welcher Höhe und mit welchem Referenzgewicht die Diversion stattfindet und wie weit das Flugzeug unter den gegebenen Umständen in der jeweiligen Zeit kommt. Daraus ergibt sich die ETOPS Distanz, also der Radius, der um einen Ausweichflughafen gezogen wird und innerhalb dessen die Flugroute verlaufen darf.

Grundsätzlich ist ein ETOPS-Flug ist in drei Phasen unterteilt:

  1. Pre-flight until moving under its own power
  2. In-flight until passing the ETOPS entry point (EEP)
  3. In-flight after passing the ETOPS entry point (EXP)

Diese Phasen spielen sowohl bei der Durchführung als auch während der Planung eine Rolle.

Wahl der Ausweichflughäfen

Während der Planung sucht der Dispatcher adäquate Ausweichflughäfen entlang der zu planenden Route. Diese sind nur im Notfall anzusteuern und werden folgender Definition gerecht:

“An ETOPS en-route alternate aerodrome shall be considered adequate, if, at the expected time of use, the aerodrome is available and equipped with necessary ancillary services such as air traffic services (ATS), sufficient lighting, communications, weather reporting, navigation aids and emergency services and has at least one instrument approach procedure available.”[5]

Nur, wenn sämtliche Punkte erfüllt sind, darf der Flugplatz zur Planung herangezogen werden.

ETOPS Wetterminima

Damit ein Flugplatz auch wirklich als brauchbar und legal planbar angesehen werden kann, muss das Wetter während eines bestimmten Zeitfensters (von der frühestmöglichen Ankunft am Ausweichflughafen im Falle einer Diversion bis zu einer Stunde nach der spätmöglichsten Ankunft am Ausweichflughafen) die in Tabelle 1 zu findenden Wetter-Minima aufweisen. Diese Minima gelten nur während Phase 1 des ETOPS-Fluges.

EU Ops

Tabelle 1: ETOPS Dispatch Wetter Minima (Quelle: EU Ops, Subpart F)

Mögliche Notfallszenarien

Während der Planung muss man drei mögliche Szenarien in Betracht ziehen. Diese sind:

    1. Triebwerkausfall
    2. Triebwerkausfall & Druckabfall
    3. Druckabfall

Bei einem einfachen Triebwerkausfall ist das Flugzeug nicht länger in der Lage, die optimale Reiseflughöhe zu halten. Deshalb muss es auf ein tieferes Level sinken, zum Beispiel von 38.000 Fuß auf 25.000 Fuß. Fällt der Kabinendruck jedoch ab, ist es unausweichlich, auf schnellstem Wege mit einem emergency descent auf 10.000 Fuß abzusinken, damit die Passagiere genügend Sauerstoff bekommen. Auf dieser Flughöhe ist der Treibstoffverbrauch enorm höher als auf Reiseflughöhe. Deshalb wird bei einer Diversion wegen eines Druckabfalls mehr Treibstoff benötigt als wegen eines Triebwerkausfalls. Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt.

Besonderheiten der Treibstoffberechnung

Zusätzlich zu der Treibstoffplanung, die generell für alle Flüge gemacht wird, spielt bei der ETOPS-Planung noch der critical point (CP) eine wichtige Rolle. Der CP ist einer von vielen equitime points (ETP). Er ist also ein Punkt entlang der Strecke zwischen zwei relevanten Ausweichflughäfen, an dem die Flugzeit zu eben diesen beiden nach aktuellen atmosphärischen Bedingungen dieselbe ist.

Oft ist der CP der letzte ETP innerhalb des ETOPS-Segments. Das heißt, er liegt innerhalb des Streckenabschnitts, in dem man mehr als 60 Minuten von dem nächsten Ausweichflughafen entfernt ist. Kommt es nun genau an dem CP zu einem Druckabfall und dementsprechend zu einer Diversion, muss man genug Treibstoff dabeihaben, um den Alternate auch mit legalen Reserven erreichen zu können. Es kann also sein, dass man an dem CP mehr Treibstoff an Board hat, als nötig wäre, um mit legalen Reserven an der Destination zu landen. Allerdings hat man genau so viel, dass man noch am CP eine Diversion zu dem ETOPS-Alternate einleiten kann. Diese Differenz, die man in der Planung mit abdecken muss, wird ADDE-Fuel genannt.

Flugdurchführung

Flugdurchführung

Abbildung 2: Flugweg ZRH – HAV

Auf Abbildung 2 sieht man nun eine mögliche Route von Zürich nach Havanna. In Phase 1, also bevor sich der Flieger aus eigener Kraft fortbewegt, müssen die Plätze EINN (Shannon), LPLA (Lajes) und TXKF (Bermuda Islands) eine Wettervorhersage aufweisen, die einen Anflug während des möglichen Zeitfensters mit den Minima nach Tabelle 1 zulässt. Zusätzlich dazu muss die Crew schauen, ob die Flugplanung den legalen Standards entspricht. Außerdem hat das Flugzeug sich in einem technisch einwandfreien Zustand zu befinden, um den ETOPS-Flug anzutreten.

Auf dem ersten Teil der Strecke – der Flug befindet sich nun in Phase 2 – bis zum EEP findet der Flug nach STOPS-Regeln statt. Dies ist an den Kreisen, beschriftet mit LSZH/60 und EINN/60, zu erkennen. Das Flugzeug befindet sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht weiter als 60 Minuten vom nächsten Ausweichflughafen entfernt. Bis zum dem EEP sind also LSZH und EINN die jeweiligen Ausweichflughäfen.

Bevor die Crew in das ETOPS-Segment, gekennzeichnet durch den lilafarbenen Streckenabschnitt von EEP bis EXP, einfliegt, muss sie noch einmal das Wetter der ETOPS-Plätze checken. Die jeweiligen Minima müssen nun nicht mehr mit dem in Tabelle 1 gesehenen Aufschlag gelten, sondern nur noch für einen einmotorigen Anflug reichen. Die ETOPS-Flugplätze sind bei dieser Planung EINN, LPLA und TXKF. Dies ist an den 150-Minuten-Kreisen nach firmenspezifischem speed schedule um die jeweiligen Plätze zu erkennen. Nach dem Einflug in das ETOPS-Segment befindet sich der Flug in Phase 3. Er darf auch dann fortgesetzt werden, falls das Wetter an einem der ETOPS-Flughäfen unter das entsprechende Minimum fällt.

Bedeutung der ETOPS-Plätze

ETP1, 2 und 3 sind die ETPs zwischen den jeweiligen ETOPS-Plätzen. Bis zu ETP1 würde die Crew zurück nach Shannon fliegen, danach bis zu ETP2 in Richtung Lajes. Entsprechend zwischen ETP2 und ETP 3 auf die Bermuda-Inseln. Am EXP verlässt der Flieger das ETOPS-Segment und fliegt von da an wieder nach STOPS-Regeln, also nicht weiter als 60 Minuten vom nächsten Ausweichflughafen entfernt.

ETP3 wäre in dieser Planung der CP. Die Crew bräuchte an dieser Stelle mehr Treibstoff für eine Diversion nach TXKF als für die Weiterführung des Fluges nach Havanna. Nach Überfliegen des CP wird das ADDE-Fuel nicht mehr benötigt. Damit stellt es eine Sonderreserve an der Destination dar. Nicht auf jedem ETOPS-Flug ist ADDE-Fuel notwendig.

Man kann auf der Abbildung sehr gut erkennen, dass der Flug ohne die 150-Minuten-ETOPS-Kreise diese Route nicht so hätte fliegen können und einen sehr großen Umweg über Island, Grönland, Kanada und entlang der Küste der USA in Kauf hätte nehmen müssen. Der Flug wäre dadurch unwirtschaftlich für die Airline geworden.

Literaturverzeichnis zu ETOPS

Airbus (1998), getting to grips with ETOPS, 5. Auflage, Blagnac

Airbus (2015), EASA certifies A350XWB for up to 370 minute ETOPS, http://www.airbus.com/newsevents/news-events-single/detail/easa-certifies-a350-xwb-for-up-to-370-minute-etops/

EASA (2012), COMMISSION REGULATION (EU) No 965/2012, Köln

FOCA, (2015), FOCA Certification Leaflet (CL), Rev. 02

Wikipedia (2017), ‚ETOPS’, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=ETOPS&oldid=162918364

Einzelquellennachweis zu ETOPS

[1] Vgl. Airbus (1998), S. 9

[2] Wikipedia (2017), ETOPS

[3] Airbus Homepage (2017)

[4] Vgl. CL ETOPS (2015), S.1

[5] EU Ops (2012), Subpart F, S.141

Autorenhinweis zu ETOPS

Arne Scheske ist Studierender im Studiengang Aviation Business an der htw saar in Saarbrücken.